Schon seit einigen Jahren ist die Versorgungslage im Bereich psychischer Gesundheit äußerst angespannt. Während der Pandemie hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit einen drastischen Anstieg von depressiven und Angstsymptomen bereits während des Kalenderjahres 2020 festgestellt. Trotzdem sinkt die Anzahl der zur Abrechnung mit den Krankenkassen zugelassenen Psychotherapeuten.
Etwa die Hälfte aller Menschen in Deutschland haben irgendwann im Laufe ihres Lebens (sog. Lebenszeitprävalenz) irgendeine behandlungsbedürftige psychische Störung. Viele Menschen zögern die Inanspruchnahme professioneller Behandlung heraus.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Gerade Depressionen beginnen eher schleichend und es ist für Betroffene schwer zu erkennen, ab wann die Symptomatik „nicht mehr normal“ ist. Obwohl die Akzeptanz von Psychotherapie in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist, scheuen sich viele Menschen noch immer, sich psychische Probleme einzugestehen oder gar darüber zu sprechen. Sie treffen zunehmend auf Unverständnis in ihrem sozialen Umfeld, haben das Gefühl, nicht mehr richtig zu „funktionieren“ und mit ihren Problemen allein zu sein. Und dann ist da noch das ganz praktische Problem, die benötigte Hilfe zu erhalten. Die Psychotherapie-Praxen sind überlaufen, viele führen nicht einmal mehr eine Warteliste. Oft ergattert man nur mit viel Glück irgendwann einen Behandlungsplatz. Viele Menschen vertrauen dann darauf, dass sich das Problem von allein lösen wird.
Wartezeiten auf Psychotherapie sind nicht zuletzt deshalb so lang, weil Psychotherapie sehr zeitaufwendig ist. Eine Sitzung dauert 50 Minuten. Wann waren Sie schon einmal so lang bei einem Arzt? Und obwohl Psychotherapie zu den effektivsten Behandlungsformen im Gesundheitswesen gehört, ist es natürlich mit ein oder zwei Sitzungen nicht getan. Selbst eine Kurzzeittherapie dauert nach Diagnostik und Probatorik 24 Stunden. Das heißt, ein Psychotherapeut mit einem halben Kassensitz kann allerhöchstens 30 Patienten in der Woche versorgen – unter Idealbedingungen). Und diese Patienten hat er dann (selbst bei eigentlich wöchentlich geplanten Sitzungen finden aufgrund von Urlaub, Krankheit usw. im Mittel die Termine im Abstand von 12 bis 13 Tagen statt) fast ein Jahr lang.
Das ist insofern schwierig, als chronifizierte Krankheiten deutlich schwerer zu behandeln sind.
Eine gute Alternative zu einer Einzeltherapie ist eine Gruppenpsychotherapie. Dadurch können mehrere Patienten gleichzeitig an einem Problem arbeiten und somit natürlich auch schneller Hilfe erhalten. Außerdem kommt man direkt in Austausch mit anderen Betroffenen mit ähnlichen Problemen, statt nur einen einzigen Therapeuten zu konsultieren. Das bietet gleichzeitig die Gelegenheit festzustellen, dass man mit dem Problem nicht allein ist, man lernt andere Bewältigungsstrategien kennen und kommt direkt in Kontakt mit anderen Menschen, was an sich schon antidepressiv und angstlösend wirken kann. Eine große Meta-Analyse von 2021 (Burlingame & Strauß) zeigt, dass Verhaltenstherapie in Gruppen kurzfristig einer Einzelbehandlung sogar überlegen ist.
Muss man sofort behandelt werden?
Nicht unbedingt. Es finden sich in der Forschung viele Belege dafür, dass ein erheblicher Teil von Patienten allein schon von der Eintragung in eine Warteliste erheblich profitiert („Wartelisten-Effekt“). Das Prinzip Hoffnung, gewissermaßen. Wichtig ist aber, dass irgendwann auch tatsächlich ein Therapieangebot kommt. Außerdem wirkt die Gruppentherapie bei Depression deutlich stärker als der Wartelistenffekt (sehr große Effektstärke von d = 1,1; ).
Verschwinden Depressionen von allein?
Es ist nicht ausgeschlossen. Aber sehr unwahrscheinlich. Patienten, die an einer Gruppen-Psychotherapie gegen Depression teilnehmen, haben eine rund 7-mal so hohe Heilungswahrscheinlichkeit wie unbehandelte Betroffene. Weit häufiger kommt es zu einer sog. „Depressions-Spirale“, wo die Auswirkungen der Depression auf Familie, Alltag, Arbeit die Depression eher weiter anheizen. Und leider kann es tatsächlich auch zu sog. Komorbiditäten kommen, wenn andere psychische Störungen, vor allem Angsterkrankungen oder Substanzmissbrauch hinzukommen.
Und was ist mit Angststörungen?
Dass eine Angststörung von allein aufhört, ist sogar noch unwahrscheinlicher als bei Depressionen. Das liegt vor allem an dem Vermeidungsverhalten, das typisch für Angststörungen ist. Die Vermeidung von angstauslösenden Situationen führt erst einmal zu Erleichterung und „belohnt“ die Betroffenen quasi für die Vermeidung. Dabei lernen sie im Umkehrschluss, dass die angstauslösende Situation ja wirklich gefährlich sein muss, wenn es mir besser geht, wenn ich ihr aus dem Weg gehe. Dann weitet sich das Problem meist auf immer mehr Situationen und sogar Lebensbereiche aus. Das nennt man Generalisierung.
Bei Panik und Agoraphobie hilft verhaltenstherapeutische Gruppentherapie mindestens genauso gut wie Einzeltherapie, langfristig tendenziell sogar besser. Rund 78 Prozent der Patienten haben nach einer Gruppentherapie keine Panikstörung mehr, bei Patienten auf der Warteliste sind es nur 33 Prozent.
Hilft Gruppentherapie auch bei Sozialer Angststörung?
Soziale Ängste gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Zwischen 8 und 12 Prozent der Bevölkerung sind im Laufe eines Jahres betroffen. Obwohl man denken könnte, dass Gruppenbehandlung bei Sozialer Angst gar nicht geht, ist die Gruppenpsychotherapie genauso effektiv wie Einzeltherapie oder medikamentöse Behandlung.
Eigentlich ist es auch nachvollziehbar, denn soziale Interaktion mit nur einer einzigen Person, die dann auch noch ein empathischer Psychotherapeut ist, ist natürlich erst einmal wenig herausfordernd. Besser üben kann man allerdings in einer kleinen Gruppe. Außerdem sind gerade Patienten mit einer Sozialen Phobie häufig sehr einsam, sodass die Therapiegruppe bereits einen Wert darstellt.
Wie läuft eine Gruppentherapie ab?
Vor der Gruppentherapie muss die sog. Indikation in Einzel- und probatorischen Sitzungen geklärt werden. Das heißt, hier wird einerseits überprüft, ob eine „krankheitswertige psychische Störung“ vorliegt, ob es Gründe gibt, die gegen die Behandlung sprechen und ob das Therapiekonzept passt. Anschließend wird der Therapieantrag bei der Krankenkasse gestellt. Es gibt die Möglichkeit, ausschließlich mit Gruppentherapie zu beginnen und dann in eine Einzeltherapie zu wechseln. Man kann aber auch überwiegend Gruppentherapie mit gelegentlichen Einzelsitzungen zwischen den Gruppenterminen durchführen. Gerade bei spezifischen Störungen erscheint es durchaus sinnvoll, zunächst mit Gruppentherapien zu beginnen, weil hier am besten Störungsmodelle und Grundzüge der Behandlung sowie erste Lösungsversuche erarbeitet werden können.
Gruppentherapien finden in regelmäßigen Abständen statt. Es ist daher wichtig, die Termine so zu klären, dass sie für alle Teilnehmer dauerhaft machbar sind.
Ob als Gruppen- oder Einzelbehandlung – in der Verhaltenstherapie beginnt man in der Regel mit einem stärker aktiven Therapeuten und sehr konkret. Mit Fortschreiten der Therapie wird die Rolle des Patienten immer aktiver und das Problem wird immer abstrakter betrachtet, je nachdem, was Patienten brauchen. In manchen Fällen sind die Störungen sehr schnell zu behandeln. Manchmal liegen der Störung auch tiefere Probleme zugrunde, die dann eine intensivere Behandlung erforderlich machen können.
Wie sehr man sich in die Gruppentherapie selbst einbringt, ist letztlich jedem Patienten überlassen. „Alles kann, nichts muss“. Niemand wird zum Seelenstriptease gezwungen und jeder Teilnehmer kann eigene Grenzen ziehen. Es ist aber durchaus auch möglich, sich sehr individuell einzubringen.
Welche Gruppenangebote gibt es?
Gerade startet bei uns eine Gruppe mit dem Schwerpunkt auf sozialer Kompetenz und Emotionsregulation.
Geplant ist als sind Gruppen für Chronische Depressionen (CBASP) und Angststörungen.